Er klingt wie der Nachfolger des autofreien Sonntags, der „E-Mail-freie Freitag“. Einige Unternehmen wollen die Menge der elektronischen Briefe reduzieren – zu sehr würden die förmlichen Nachrichten von der eigentlichen Arbeit ablenken und Zeit fressen. Doch bringt das Verbot etwas? Und ist eine Mitarbeiter-App eine gute Alternative?
Thierry Breton ist sich sicher. Der E-Mail Verkehr in seinem Unternehmen Atos, einem der größten IT-Dienstleister weltweit, muss drastisch reduziert werden. 2011 gab der frühere Finanzminister Frankreichs bekannt, dass er den Konzern innerhalb von nur drei Jahren zu einer „Zero-Mail-Company“ umbauen möchte – keine internen Mails mehr, nur noch extern soll die elektronische Post genutzt werden. „Wir haben herausgefunden, dass unsere Mitarbeiter zu viel Zeit mit E-Mails verbringen“, sagte Breton damals in einem Fernsehinterview mit dem amerikanischen Sender CNN. Man habe intern nachgeforscht und festgestellt, dass nur 15 Prozent der Nachrichten tatsächlich nützlich sind. Der Griff zum Telefonhörer und das persönliche Gespräch seien um Längen effizienter.
Breton steht mit seiner Idee nicht alleine da. Weltweit versuchen CEOs die E-Mail aus dem Unternehmen zu verbannen und Schritt für Schritt eine neue Kommunikationskultur zu etablieren. Darunter auch der amerikanische Logistiker PBD Worldwide. Manager Scott Dockter startete 2006 mit einem E-Mail freien Freitag und rollte das Projekt nach positivem Feedback auf alle Wochentage aus. Auch er bemängelte die Effizienz, Kollegen säßen oftmals nur eine Tür weiter im Nachbarbüro. Doch bringt das Verbot auch etwas?
Eine Studie der Western University in London verdeutlicht, dass der persönliche Kontakt zwischen zwei Menschen wirkungsvoller ist als der Kontakt via E-Mails. Hat ein Mitarbeiter eine Bitte an einen Kollegen, wird diese öfter erfüllt wenn die Bitte persönlich herübergebracht wird. Außerdem fanden zwei Forscher der Universität in British Columbia heraus, dass Menschen glücklicher, stressfreier und konzentrierter sind, wenn sie seltener ihr Postfach checken.
Die Vorteile für weniger E-Mails in Unternehmen scheinen eindeutig, nur wie sieht die Alternative aus? Wenn der Kollege nicht zufällig im Büro eine Tür weiter sitzt sondern auf einem anderen Kontinent. Oder wenn die Zeitverschiebung ein Telefonat beinahe unmöglich macht. Thierry Breton von Atos erkannte auch dieses Problem und machte sich für ein „Enterprise Social Network“ (ESN) stark – ein soziales Netzwerk für Firmen. Hier schreiben die Mitarbeiter keine Mails, sondern kurze Nachrichten wie bei Whatsapp. Sie organisieren sich in Gruppen, ähnlich wie bei Facebook, und können ihren Arbeitsalltag mit Kalenderfunktionen planen. Mit einem internen Wiki bleibt das Wissen der Firma sicher vor Außenstehenden verschlossen und gleichzeitig offen für jeden Mitarbeiter. Doch damit war es noch nicht getan. Die E-Mail wird seit Jahrzehnten von Arbeitnehmern und Chefs benutzt – ganze Generationen sind mit der elektronischen Post aufgewachsen. Eine so tiefgreifende Änderung bedarf viel Planung. Deswegen begleiteten 3.500 Ambassadoren, also Mitarbeiter aus allen Abteilungen und jeder Altersstufe, den Prozess. Sie waren Experten auf dem ESN Gebiet, zeigten den Kollegen in Schulungen und Einzelgesprächen die Funktionen der neuen Werkzeuge. Ihre Aufgabe war es, alle Mitarbeiter mit an Bord zu holen.
Die E-Mail aus dem Unternehmen zu verbannen war jedoch nicht das erklärte Ziel von Breton, vielmehr war es ein Mittel zum Zweck. Die eigentliche Herausforderung war es, eine neue Kommunikationskultur zu schaffen. Das Wissen soll bestmöglich geteilt werden und jeder Mitarbeiter soll möglichst Zeit dazugewinnen, die er dazu verwenden kann, dem Kunden im Endeffekt ein besseres Produkt zu liefern. Sucht beispielsweise ein Mitarbeiter einen Kollegen mit einer bestimmten Fähigkeit, postet er einfach eine Anfrage im sozialen Netzwerk der Firma. Anstatt alle einzeln abzutelefonieren, können alle Mitarbeiter mit ihrem gebündelten Wissen helfen. Und wird eine Lösung gefunden, kann in Zukunft jeder mit dem selben Problem einfach im Netzwerk nachschauen.
Heute, acht Jahre nach Bretons öffentlicher Ankündigung, kann das Unternehmen noch immer nicht ganz auf E-Mails verzichten. Dafür gibt es nun ein kollaboratives Toolset, das die E-Mail zu einem großen Teil ersetzen kann und das Wissen aller bündelt. Die elektronische Post spiele nur noch eine geringere Rolle als vor dem „ Zero-Mail Company“ Projekt, so der IT-Dienstleister.
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